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Hier lebten einst Bettelmönche: In der Kirchstraße Nr. 2 Dominikaner und in der Kirchstraße Nr. 3 Augustiner
Stand 19.08.2024: 52 Fotos
Die Kirchstraße in Bad Salzelmen hat, bzw. hatte historisch wertvolle Häuser.
In den Häusern Nr. 2 und 3 lebten einst Terminierer (Bettelmönche). Die Terminierer kamen um 1224 in die Magdeburger Gegend und hatten festgelegte Gebiete, die sie bebetteln durften. Diese Art, das Leben zu meistern, gab es im Mittelalter weit verbreitet. Die Ordensmitglieder wurden auch "Paulaner" genannt und weil sie einem "Armen Orden" angehörten, war es ihnen nicht gestattet Güter zu besitzen.
Man setzte auf die Barmherzigkeit der reichen adligen Pfännerherren und des wohlhabenden Bürgertums in der damaligen Zeit.
1469 wurde im nördlichen Teil des Hauses Nr. 2 eine Kapelle errichtet. Hier wurden von 1536 bis 1537, während des Einbaues der Deckengewölbe in der Johanniskirche, ersatzweise die Gottesdienste gehalten. Auf dem Grundstück Kirchstraße Nr. 2 wurden sehr starke Mauerreste gefunden. Es könnte hier ein sogenannter Wohnturm gestanden haben.
Auf dem Grundstück Nr. 2 lebten zur NS-Zeit die jüdischen Familien Sachs und Margonier. Sie wurden nach Auschwitz und Theresienstadt deportiert. Keiner von Ihnen hat überlebt.
Die Baufälligkeit des Denkmalgeschützten ungefähr 750 Jahre alten Hauses Nr. 2 stellte für die Ordnungshüter eine Gefahr dar.
Da sich die Besitzer in Israel nicht um die Sicherung des Einsturzgefährdeten Hauses kümmerten, wurde es im Auftrag des Landkreises im Jahr 2010 unter Auflagen des Denkmalschutzes abgerissen. Die Kelleranlagen, sollten auf jeden Fall erhalten bleiben. Aber, sie wurden leider ohne vorherige geschichtliche Aufarbeitung während der Neubebauung verfüllt.
Einige Bürger hatten noch die Gelegenheit den 'Kriechkeller' der Mönche (1,5m hoch) zu besichtigen.
Jetzt ist davon nichts mehr vorhanden.
Das Grundstück Nr. 2 ist in der Zwischenzeit vollständig neu bebaut worden.
Haus Nr. 3 ist liebevoll saniert worden und wird vom Bestattungsinstitut 'Harald Wunneburg' genutzt. Hier soll sich die Sammelstelle für Erbetteltes der Augustiner-Mönche befunden haben.
Laut einer Inschrift wurde das Haus 1483 erneuert. 1522 ging es für 50 Gulden in den Besitz des Rates von Groß Salze über und wurde durch einen Syndikus genutzt.
In diesem Haus befinden sich mittelalterliche Putzritzungen mit verschiedenen historischen Darstellungen aus Mittelalterlicher Zeit. Mir ist nicht bekannt, wer dort abgebildet ist, vielleicht Editha, die zweite Frau von Kaiser Otto?
Ähnliche Putzritzungen sind auch im Magdeburger Dom gefunden worden. Nach der wissenschaftlichen Erforschung werden sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Es gibt eine Abhandlung bzw. Vorträge von Prof. Danzl (Dresden) zur Technik der Putzritzungen, welche aber inhaltlich nicht öffentlich sind - Schade.
Die Geschichte der Terminier Häuser ist mir nicht durchgängig bekannt. Aber es gibt Erinnerungen der 1919 geboren Lehrerin Gertraud Homauer an die letzten Besitzerfamilien Hoffmann, Peters und Sachs.
In der DDR-Zeit wurde das Haus von der KWV verwaltet und bis 1980/81 ? bewohnt. Danach war es dem Verfall preisgegeben. Die Vandalen hatten einen neuen 'Spielplatz', die selbst das Dach nicht verschonten. Der Regen weichte die Lehmdecken auf. Dielen und Holzbalken verfaulten in kürzester Zeit.
Das alles noch so weit erhalten geblieben war, verdanken wir dem Umstand, dass es vermutlich im 18 Jahrhundert An- und Umbauten gegeben hat. Der Wohnturm wurde Wohnung und Lager und wurde mit der Kapelle und dem Schlafsaal zusammen neu überdacht. Eine Balkenkonstruktion im Dachstuhl lässt sogar vermuten, dass dort einst eine Glocke hing.
Auch unter dem Haus haben sich die "Höhlenforscher" vom Kulturbund und der Arbeitsgemeinschaft 'Denkmale und Heimatgeschichte' umgesehen. Leider aber nur Unrat gefunden. Zu mindest konnten sie den Abriss des Hauses 1981 noch verhindern.
Zitat aus einer Veröffentlichung, deren Quelle uns leider nicht bekannt ist:
"Der Schatz in der Kapelle
1997 fand Lothar Göttling, der Stadtdenkmalpfleger, im alten Terminier Haus Kirchstraße 02 einen „Schatz“ unter einem Stein in einer Zigarrenkiste. Nebst Zigarren kamen hunderte russische Banknoten aus der Zarenzeit, holländische Gulden aus den 20er Jahren und 500 000 Kronen aus der Zeit der österreich-ungarischen Monarchie ans Licht. Wer auch immer sich das Geld dort in Sicherheit gebracht hatte, genützt hatte es ihm nichts."
Giebel des Hauses Kirchstraße 3 Januar 1986 und Mai 1993
Der gleiche Giebel 2007 und 2012
Die andere Giebelseite des Hauses Dezember 1993 und Januar 2012
Das Terminierhaus wurde aus Feldsteinen gebaut
1993 Mai Die Der Anbau auf der Hofseite
Mai 1993 links im Bild das Terminierhaus, rechts das Haus des ehemaligen Pfännerherren Wüstenhoff (Foto vom Hof Grundstück Pfännerstr. 23)
1993 hier haben sich schon mehrere Dachdecker versucht
2008 03.10. Das 'Terminierhaus' Kirchstr. 3 wurde wunderbar saniert
2008 April für das Terminierhaus Kirchstr. 2 fand sich kein Investor
Zu diesem Bild gibt es einen Bericht
auf der Internetseite von Wikipedia
Foto: Wikipedia
2011 Es kam wie es kommen musste: Abriss !
2012 07.03. das Haus Nr. 3 in der Kirchstr. ist verschwunden
2012 07.05. Blick vom Hof Pfännerstr. 23
Die Reste vom Terminierhaus am 23.01. und 07.05. 2012
2012 01.08. Im Fundament des Hauses befindet sich ein Gewölbe
2012 01.08. das beräumte Grundstück soll wieder bebaut werden
es steht noch ein Stück altes Mauerwerk
2012 24.10. Das neue Haus Kirchstr. 2 entsteht
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Wir verlassen jetzt das Terminierhaus in der Kirchstr. 2 und wenden uns dem Haus Nr. 3 zu. Die Gestaltung der Fassade ist neu und modern, aber im Inneren des Hauses wurde die Geschichte bewahrt. Wir werfen einmal einen Blick auf die Wandritzungen aus längst vergangenen Zeiten. Wir bedanken uns beim Bestattungsunternehmen Wunneburg, dass wir sie sehen und fotografieren durften.
Ein paar Örtlichkeiten im Vergleich damals und heute:
diese Tafel befindet sich an der Fassade des Hauses Kirchstr. Nr. 3
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Einige Fotos im Vergleich: